Langszeitstillen - Julia stillt seit 4 Jahren

Diese Woche sind es vier Jahre.

Am 16. 08. 2014 in den frühen Morgenstunden machte sich N auf den Weg um zu uns in die Familie zu kommen.

Es war eine sehr rasche Geburt und ganz schnell danach, noch mit der Nabelschnur um den Fuß gewickelt, lag er an meiner Brust und sollte vier Jahre von dieser Brust nicht weggehen.

 

Die ersten Tage und Wochen waren tatsächlich ziemlich schmerzhaft,

die Brustwarzen waren wund und wir haben viel ausprobiert.

 

Gut waren die Reissäckchen, die ich einfach festgehalten habe beim Andocken und die Atemübungen aus der Geburt. Aufgrund der schnellen Geburt waren wir auch beim Osteopathen und bei der Physiotherapie und das Kind dachte einfach sehr lange, dass es nur eine rechte Seite hat.

Zeitweise wurde nur er nur getragen und dann nur im Kinderwagen spazieren gefahren und irgendwann drehte er seinen Kopf zur anderen Seite und die Schmerzen hörten auf und alles lief und dann kam der Winter im Tragetuch und an der Brust.

 

Wir haben den halben Winter und das Frühjahr in Israel verbracht.

Da ist eigentlich frühe Beikost die Regel und leider auch viel zu frühes Abstillen.

 

Die Menschen fragten oft und gern, wie alt das Kind wäre

und hatten meist positive Kommentare danach.

 

So mit 11 Monate habe ich dann tatsächlich gedacht, “okay eine Nacht ‘durchgeschlafen’ wäre eine prima Idee”. Wir probierten die Jay Gordon Methode (nächstliches behutsames Abstillen) aus.

Das war ziemlich lustig weil dieses Kind tatsächlich ein paar Nächte mitgemacht hat und als wir dann bei dem Moment angekommen waren, wo es nur noch eine Minute stillen gab, war er dann der Meinung, dass es reiche und machte doch ganz ganz schnell klar, dass die Methode bei ihm nicht funktionieren sollte.

 

Also habe ich weiter nachts 2-3-4-5 mal gestillt und war tagsüber ein bisschen durch.

Mit 12 Monaten ist er dann in die Kita gegangen, was dazu führte, dass er natürlich nachmittags und abends und früh morgens viel mehr noch gestillt werden wollte, als vorher.

 

Die blöden Sprüche in der Kita von den anderen Eltern und von den anderen

kleinen Kindern haben uns eigentlich nicht wirklich beeindruckt.

 

Dann kam der nächste Winter im ersten Kita Jahr und eigentlich war ich ganz glücklich, dass wir immer noch schön gestillt haben. In der Arbeit musste ich dieser Tage gerade an Montagen öfters mal ausstreichen, worüber sich der Grosse dann freute.

Im Frühjahr sind wir dann in eine andere Kita umgezogen, wo der große Bruder auch schon war und da war das Stillen sehr gern gesehen und alle waren total glücklich zu beobachten, wenn Mama nachmittags kam und der kleine Jungen so glücklich war dass er jetzt gleich mal noch genügsam stillen konnte.

 

Um den zweiten Geburtstag rum habe ich dann eingeführt, dass in der Kita nicht mehr gestillt wird.

Er war einige Tage ein bisschen traurig, ich tröstete ihn mit leckeren Sachen wie Eis.

 

Eigentlich hatte ich immer gesagt zwei Jahre Stillen und dann

wird sich das sowieso irgendwie verlaufen.

 

Den Plan habe ich allerdings ohne das Kind gemacht und er machte Null Anstalten aufhören zu wollen und ich fand es total schön diese Momente zu haben und dann haben wir einfach weitergemacht.

Zwischenzeitliche gab's mal den Verdacht auf Scharlach und er hatte ziemlich hohes Fieber über drei Tage, Halsweh und es war natürlich Wochenende.

Wir sind dann ins Krankenhaus gegangen, um ihn an doch mal angucken zu lassen. Die junge Kinderärztin war dann sehr erstaunt, als wir erwähnten dass er noch stillt und meinte nur: ‘wie sie haben noch Milch? das geht doch gar nicht?’. Ich sollte sie später noch öfters treffen, durch meine berufliche Begleitung von Familien mit einem Baby auf der NICU und wir haben dann noch lange drüber gelacht.

Sie hat danach tatsächlich noch mal einiges nachgelesen und ist heute grosser Fan des Stillens.

 

Unsere normale Kinderärztin hat mich immer nur ausgelacht so nach dem Motto ‘na ja das bringt ja eh nichts mehr’ und ‘Mutti kann sich nicht trennen’ - aber auch das an uns irgendwie total wenig beeindruckt, weil wir da nicht wirklich oft sind.

 

Im Sommer als er dann drei wurde, waren wir auf Sardinien - super heiß, den ganzen Tag am Meer und im Meer und die Mittagsstunden in unserem Strandzelt und auch da hat er fröhlich weiter gestillt.

Die Menschen um uns rum haben uns neugierig beäugt, einige haben gelächelt, einige haben die Augenbraue hochgezogen aber irgendwie hat's mich nicht tangiert. Leider hat sich unser kleiner Draufgänger eine Salzwasser Vergiftung zugezogen und so landeten wir wieder in der Notaufnahme.

Wir waren relativ schnell dran und das Kind dann noch relativ schnell am Tropf und wir beide lagen in einem großen Bett und irgendwann fand er dann auch wieder Vergnügen daran zu stillen.

Die Ärztin kam regelmäßig und meinte was mit Gott und Mama und dann kam noch ein Pfleger rein, der auch irgendwas positives zu sagen hatte und dann kam noch eine Krankenschwester und brachte mir Saft und irgendwie hatte ich das Gefühl alle wollten mal sehen wie ein großes Kind gestillt.

Er war ja fast drei.

Hingegen aller Warnungen, die von italienischen Stillmamas vor Abflug bekam, gab es in Sardinien noch einige lustige Geschichten.

 

Aber dann kamen wir zurück nach Berlin und das neue Schuljahr begann. Irgendwie ging alles so weiter, kein Ende in Sicht. Mein großes Kind macht Eislaufen und so ich war viel in der Eishalle mit dem Kleinen, der dann auch bald anfing zu Eis zu laufen. So hatten ich dann ein Eislaufkind mit Schlittschuhen an meiner Brust. Die Trainerinnen fanden ziemlich lustig aber irgendwie hat nie irgendjemand was gesagt. Meine Mutter allerdings hat sich anscheinend die Fibel der Langzeitstillgegner besorgt: “findest du nicht, dass das für ein bisschen lange geht”, “ach das ist doch jetzt nicht mehr normal”, “jetzt hör doch mal auf, du tust euch doch da keinen Gefallen damit”, “ach guck mal wie oft du krank bist, der saugt dir doch deine ganzen Vitamine raus” und es sollte nicht enden. Das Jahr verging und jetzt ist wieder Sommer und nächste Woche wird er 4 oder erklärt mir immer noch, dass er ohne sein Tzitzi (Hebräisch für Busen) nicht leben kann.

Es schmeckt so lecker. Er möchte Tzitzi trinken bis er 1000 Jahre alt ist. Sämtliche Ferien die er ohne mich unterwegs war, jegliche Freundinnen Wochenenden die ich alleine gemacht habe und er hat's nicht vergessen und meine Brust anscheinend auch nicht - die Milch fließt einfach."

Julia.

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Kommentare: 5
  • #1

    Sonja (Montag, 20 August 2018 20:32)

    Wow, toller Bericht! Hammer mutig, danke! Sonja

  • #2

    Leila (Montag, 20 August 2018 20:38)

    Hallo liebe Julia & Pia:)
    @Julia: mir ist erst beim Lesen richtig klar geworden, dass Langzeitstillen ein krasses Tabuthema ist! Warum? Wie schade, dass es so ist! Ich selber habe nur kurz gestillt (6 Monate (lange Geschichte)) aber hätte im Endeffekt sehr gern länger gestillt.
    Danke für deinen Bericht!

    @pia: ich liebe deine Arbeit! Danke!!!!

  • #3

    Nina Marie B. (Montag, 20 August 2018 21:10)

    Mich hat dein Beitrag total berührt, weil du so mutig bist! Ich habe mein erstes Kind abgestillt, weil ich den Druck von Außen nicht ausgehalten habe und werde jetzt, beim zweiten Kind mehr auf meine inner Stimmr hören!
    Danke dir!

  • #4

    Laura S. (Montag, 20 August 2018 22:49)

    Ich habe meine Große gestillt, bis sie sich mit 18 Monaten selbst abgestillt hat, sie hat Nachts dann ein Schluck Wasser getrunken und hat dann sofort weiter geschlafen... meinen Sohn stille ich noch, der ist nun auch 18 Monate alt aber vom Abstillen noch weit entfernt ;D
    Danke für deinen Bericht! Er macht mor Mut!
    Liebe Grüße
    LAURA

  • #5

    Maria (Montag, 10 September 2018 23:17)

    Danke für diesen mutigen Bericht! Bräuchten wir noch viel mehr davon, doch ich bin noch nicht so mutig. Wir haben mit Nr. 3 auch den 4. Geburtstag erreicht und es war so viel schöner als das damals vom Kinderarzt geforderte, herzzerreißende Abstillen um den 1. Geburtstag bei Nr. 1. Zum Glück durfte ich dazulernen.
    Alles Gute für euch,
    Maria (OstSeeRäuberBande)